Dr. Steffen Scharrer beschreibt die Art und fast die Ergebnisse und Meldungen dieses Jahres zusammen:
Einfach unverwechselbar!
Die Europäische Gottesanbeterin (Mantis religiosa) ist die einzige in Mitteleuropa vorkommende Vertreterin der Fangschrecken (Mantodea). Sie kann hierzulande mit keinem anderen Tier verwechselt
werden. Die Weibchen werden bis acht, die Männchen bis sechs Zentimeter groß. Obwohl die Tiere flugfähig sind, nutzen fast nur die Männchen gelegentlich ihre Flügel. Die Färbung ist variabel und
reicht von Grün- bis zu Brauntönen. Mit den Häutungen passt die Gottesanbeterin ihre Färbung an die Umgebung an. Besonders fallen der dreieckige, sehr bewegliche Kopf und die zu Fangbeinen
umgebildeten Vorderbeine auf. Diese sind mit Dornen besetzt und dienen dem Festhalten der Beute.
Die Geschlechter unterscheiden sich in der Größe und an den zwischen den Facettenaugen liegenden drei Punktaugen (Ocellen), die beim Männchen deutlicher ausgebildet sind.
In der Dämmerung, aber auch am Tage, machen die Tiere Jagd auf Heuschrecken und andere Insekten oder Spinnen. Dabei bewegt sich die Gottesanbeterin nur sehr langsam und verharrt immer wieder
regungslos. Wenn man sich ihr nähert, flüchtet sie meist nicht. Wird sie dennoch aufgeschreckt, fliegt die Gottesanbeterin einige Meter weit. Gottesanbeterinnen leben nur einen Sommer lang und
pflanzen sich nur einmal im Leben fort. Nur die Larven überwintern und entwickeln sich im Folgejahr bis Juli oder August zum ausgewachsenen Insekt.
Männchen leben gefährlich
Bekannt sind Gottesanbeterinnen insbesondere wegen ihres sexuellen Kannibalismus. Bei etwa einem Drittel der Paarungen wird das Männchen währenddessen oder danach vom Weibchen aufgefressen.
Dieses legt nach der Paarung 200 bis 300 Eier in einem Schaumkokon an Pflanzenteilen ab – der sogenannten Oothek.
Die Gottesanbeterin ist in Mitteleuropa auf besonders wärmebegünstigte Lebensräume beschränkt. Man findet sie zum Beispiel an lichten Waldrändern an höheren Stauden. Manchmal tauchen die Tiere
auch in Gärten auf.
Vor allem in Menschennähe
Im Rahmen unseres Mitmach-Projekts ergaben sich einige interessante Hinweise: Die Gottesanbeterin besiedelt – offenbar vom Rhein-Main-Gebiet ausgehend – das Maintal mindestens bis Dorfprozelten.
Im Norden dringt sie dabei bereits in die Ausläufer des Spessarts vor (Haibach, Bessenbach, Leidersbach). Sie wird vor allem dort gefunden, wo viele Menschen leben (z.B. Aschaffenburg, Erlenbach,
Miltenberg) und vor allem im Siedlungsbereich, am Haus oder im Garten. Vermutlich ist das aber darauf zurückzuführen, dass sie hier besonders auffällt, während sie in der freien Natur schwer zu
entdecken ist.
Alarmsignal für den Klimawandel
Die Gottesanbeterin steht stellvertretend für Arten, die sich durch den Klimawandel rasch von Süden her zu uns ausbreiten. Auch wenn ihr Auftreten nichts Gutes verheißt, sondern die drohende
Klimakatastrophe ankündigt, müssen wir uns darum bemühen, ihre Ausbreitung zu fördern. Denn im Süden gehen der Gottesanbeterin dadurch natürlich auch Gebiete verloren. Wir müssen Biotope besser
vernetzen, um Tier- und Pflanzenarten die Wege zu ebnen und ihre Ausbreitung zu ermöglichen. Dass wir auf rasche Maßnahmen beim Klimaschutz drängen müssen, versteht sich von selbst.